Edition Michael Kellner ist ein kleiner, aber feiner Verlag, der sich auf die Veröffentlichung von amerikanischer Beat-Literatur, neuen deutschen Autoren und bibliophilen Ausgaben spezialisiert hat und durch seine hochwertigen Übersetzungen und Auswahl an Autoren bekannt ist.
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Lesetipp
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Autobiographie einer Bisswunde
„Autobiographie einer Bisswunde“ der Lyrikerin Julia Mantel ist soeben innerhalb eines Jahres in der zweiten Auflage erschienen. Beim Nischengenre Lyrik keine Selbstverständlichkeit. Riccarda Gleichauf reflektiert darüber, warum Julia Mantels Gedichte beim Publikum so gut ankommen und plädiert dafür, sie in den Kanon der Schullektüre aufzunehmen.
Julia Mantel schreibt keine Prosa, weil sie meint, dass sie das nicht kann. Wenn ich mir ihren aktuellen Lyrikband Autobiographie einer Bisswunde anschaue, dann fällt auf, dass sie längst prosaisch schreibt. Im Gedicht KEINE-BLINDEN-FLECKEN geht es zum Beispiel um einen Hautarztbesuch, bei dem das lyrische Ich Angst hat, Hautkrebs zu haben. Zuletzt beruhigt es der Arzt nüchtern:
bei Ihnen
wuchert nichts:
Sie haben
lediglich
ein paar
Altersflecken
mehr.
Breite, ausschweifende Prosa braucht Julia Mantel gar nicht zu schreiben, weil sie ihr Publikum bereits mit der kleinen Form in Geschichten hineinzieht, die skurril und schonungslos ehrlich das Menschliche im Menschen sichtbar machen. Angst vor Krankheit, Alter, Einsamkeit oder schlichtweg Veränderungen des eigenen Lebens kommentieren ihre Texte humorvoll und manchmal mit moralischem Appell, der aber niemals belehrend, sondern aufmunternd wirkt.
Was Julia Mantels Lyrik besonders kennzeichnet, sind Sprachspielereien, die (tod)ernste gesellschaftspolitische Strukturen entlarven. In (V)ERFOLG(T) seziert sie beispielsweise das Wort „Erfolg“ bis in seine Einzelteile, fügt V und T dazu und fragt provokant, was nach dem Erfolg kommen mag:
Der Erfolger?
Wir sind das Volk. Er ist Volker.
Er folgt. Wir folgen.
Wir verfolgen unsere Erfolge.
Erfolg macht unfrei. Süchtig nach „mehr“ wirst du zur Gejagten, bis du vor lauter Abhängigkeit Gefahr läufst, dich selbst zu verkaufen, weil du nur noch reagierst, ohne selbstbestimmt zu handeln. (V)ERFOLG(T) ist ein Gedicht bei dem das übergeordnete Thema, der Erfolg, zentral ist. Typisch für Mantels Texte entsteht beim zweiten Lesen die Irritation auf diese zunächst angenommene Eindeutigkeit; bei der dritten Durchsicht eröffnen sich Interpretationsebenen, die Mantel zunächst durch die einfache, klare Sprache überspielt. Diese schafft für die Leser:innen eine aufmunternde Zugänglichkeit, um im zweiten Schritt die Lust an einem tieferen Verständnis an Text und Thema zu wecken. Aus diesem Grund sollte ihre Lyrik Eingang in den Schulkanon finden. Freude an der Lektüre, gepaart mit Möglichkeiten unterschiedlicher Interpretationsansätze, wären den Schüler:innen gewiss.
Auch ruhige, nachdenkliche Töne finden sich im aktuellen Band. DIE VERWAISTE BANK thematisiert die sterbenden Bankfilialen, die wie „letzte Mohikaner“ im Glaskasten die „übriggebliebene Schlange“ bedienen, ohne die Bedürfnisse der vor allem älteren Menschen weiter im Blick zu haben. Zu viel Digitalisierung erzeugt Einsamkeit, scheint das lyrische Ich zu prognostizieren, und ich denke dabei traurig an meinen letzten Einkauf bei ALDI, bei dem ich meine Waren selbst einscannen musste, weil kein menschliches Wesen an einer der vielen leeren Kassen saß, um mich, vielleicht mit einem Lächeln, zu bedienen.
Ein wahres, gerade auch junge Leser:innen empowerndes Kleinod rundet den Band ab, in dem Julia Mantel eine Beruhigungsformel als Reaktion auf den ewigen Leistungsdruck bereithält, den uns Familie und Gesellschaft oft suggerieren. DU BIST DOCH SCHON ETWAS kommt zur Erkenntnis, dass das heideggerianische „Sich-Vorweg-Sein“, im Sinne von, gedanklich immer schon am nächsten Entwurf arbeitend, gar nicht zwingend sein muss. Wichtig ist die Besinnung auf das Jetzt, das Da-Sein:
Was willst
du werden
hier auf Erden
Vielleicht
will ich mich
erstmal erden
Das mit
dem Werden
werden wir
dann sehen.
Textor, Riccarda GleichaufJulia Mantel schreibt wie sie denkt, zweimal um die Ecke und dann wieder zurück. Kleine Miniatur-Kurzgeschichten in Gedichte verpackt. Über die Menopause, in der weiße Fahnen gehisst werden am Ende des Blutvergießens, darüber was man diesem „Herrn Spam“ mal zurückschreiben könnte, damit er endlich aufhört uns mit Penisverlängerungen zu belästigen, darüber wie man die Erfolge verfolgt, und daß wir uns vor dem Werden erstmal erden müssen. Ein kluges poetisches Buch, das man einfach in die Tasche stecken kann, um einzutauchen in die Autobiographie einer Bisswunde.
Bernadette Hengst, Musikerin und AktivistinEin Gedichtband, der den Alltag so treffend beschreibt und gleichzeitig immer darüber hinausweist. Kann man sich mehr wünschen? Das ist zeitgenössische Lyrik, wie ich sie mir vorstelle.
Frank Spilker, Musiker und AutorJulia Mantel verwebt in ihren Gedichten den Alltag mit dem Existentiellen und findet dabei eine Stimme, die zugleich intim und universell ist. Ihre Worte sind oft ironisch, spielen mit den Lesererwartungen. In den Gedichten wie „Du bist doch schon etwas“ fängt sie das Spannungsfeld zwischen Selbstfindung und dem Drang nach ständiger Veränderung mit Leichtigkeit ein, ohne die Tiefe des Themas zu vernachlässigen.
In „Blatt gewendet“ verknüpft JM genauso spielerisch, aber nicht oberflächlich, Banalitäten mit inneren Umbrüchen. Das Bild des Sauce-Bindens und Krawatte-Bindens als Spiegel der verschobenen Prioritäten führt mich auf unerwartete Weise zu einem verzögerten, vielleicht sogar vertagten Verständnis von Liebe.
In „(V)erfolg(t)“ offenbart sie die Absurdität der Leistungsgesellschaft, hinterfragt sich und eben diese Mechanismen – und das mit einem bodenständigen Witz, aber auch mit dem Hinterfragen.
Am meisten mag ich das „(F)ahnen – vom Ende des Blutvergießens“. Hier skizziert sie den Übergang von vergangenen Verletzungen zu einem Akt des Friedens. Die „verblichenen Flecken aus getrocknetem Blut“ als neuer Lebensabschnitt, das Hissen des weißen Laken als Zeichen des Friedens mit sich selbst.
Julia Grinberg, Lyrikerin
Der Verlag Edition Michael Kellner
Der Verlag Michael Edition Kellner wurde 1978 von Michael Kellner gegründet und ist seitdem ein wichtiger Akteur in der deutschen Literaturszene. Der Verlag ist bekannt für seine Übersetzungen von amerikanischer Beat-Literatur, aber auch für seine Veröffentlichungen von neuen deutschen Autoren und Sachbüchern. Michael Kellner, der Gründer und Leiter des Verlages, ist ein passionierter Verleger, Übersetzer und Fotograf, der sich für die Verbreitung von Literatur und Kultur einsetzt.
Der Verlag Edition Michael Kellner hat sich in den Jahren seit seiner Gründung zu einem wichtigen Anbieter von literarischen Werken entwickelt. Er hat eine Vielzahl von Autoren und Titeln veröffentlicht, darunter auch einige der bekanntesten Vertreter der Beat-Literatur wie Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Der Verlag ist auch bekannt für seine bibliophilen Ausgaben, wie die limitierte Auflage von Allen Ginsbergs „Howl“ mit Faksimile der ersten Fassung.
Heute ist der Verlag Edition Kellner ein wichtiger Teil der deutschen Literaturszene und setzt sich weiterhin für die Verbreitung von Literatur und Kultur ein.


Der Anfang
Der Verlag wurde 1978 von Michael Kellner gegründet.
Der Schwerpunkt
Wir konzentrieren uns auf die Veröffentlichung von amerikanischer Beat-Literatur und neuen deutschen Autoren.
Übersetzungen
Edition Kellner ist bekannt für seine hochwertigen Übersetzungen von amerikanischer Literatur.
Bibliophile Ausgaben
Wir veröffentlichen auch bibliophile Ausgaben von literarischen Werken.
Autoren
Wir haben eine Vielzahl von Autoren veröffentlicht, darunter bekannte Namen wie Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Jack Kerouac.